GESCHICHTE


Scharten im Zeitalter der Reformation

Die Wurzeln zur Geschichte der evangelischen Pfarrgemeinde in Scharten finden sich bereits im 16. Jahrhundert, im Zeitalter der Reformation und der durch Martin Luther begründeten neuen Lehre. Diese neue Lehre wurde sowohl durch persönliche Bekanntschaften (Händler, Kaufleute und Buchführer) als auch über Bücher, über Schriften und Lieder in unserem Land bekannt.

Zu den ersten Familien im Land ob der Enns, die im Briefwechsel mit Martin Luther standen, gehörten die Jörger zu Tollet (bei Grieskirchen) und die Starhemberger (in Eferding). Die Familienbibel der Starhemberger verbindet die evangelische Pfarrgemeinde Scharten mit diesem evangelischen Adelsgeschlecht. Das illustrierte und großformatige Buch ist durch die beigefügten Tagebuchaufzeichnungen und Notizen sehr wertvoll geworden.

Epoche der Gegenreformation und des Geheimprotestantismus

Nachdem es evangelisches Leben in Oberösterreich über mehr als 100 Jahre gab, setzte der katholische Landesherr Ferdinand II diesem 1620 ein Ende. Er macht von dem Recht Gebrauch, dass der jeweilige Landesherr das Religionsbekenntnis bestimmen konnte. Daher mussten jene Evangelische, die sich nicht zum Glaubensbekenntnis des Landesherrn (katholisch) bekannten, auswandern oder den Glauben im Geheimen leben.

Nachweislich ließen sich Evangelische aus Scharten, Holzhausen, Mistelbauch im süddeutschen Raum nieder. Jene evangelischen Bauern, die nicht auswanderten, reagierten mit Hass und Erbitterung auf die aufgezwungene Katholisierung. Diese geladene Atmosphäre entlud sich in den Bauernkriegen. Hatte das menschenverachtende „Frankenburger Würfelspiel“ (15. Mai 1625) schon tiefes Leid über die Bevölkerung des Landes gebracht, so fanden in der Schlacht beim „Emlinger Holz“ (9. November 1626) am Fuße der Schartner Berge nicht weniger als 3000 Bauern den Tod.

Damit beginnt die Epoche des Geheimprotestantismus, die mehr als 150 Jahre dauern sollte. Unterschiedliche Schriften wurden nach Österreich eingeschmuggelt, vor allem Lutherbibeln, Andachtsbücher und Predigtbücher. Gelesen wurden diese Schriften unter größten Vorsichtsmaßnahmen. Beliebte Verstecke für diese geheimen Werke waren Truhen, Schränke und hölzerne Zwischenwände. Ein geheimer Versammlungsort in Scharten war der „Predigtstuhl“ im großen Forst, wo im Schutz des Waldes Bibelstunden abgehalten wurden.

Die große Sehnsucht bestand aber dennoch, einen evangelischen Gottesdienst mit Predigt in deutscher Sprache und Abendmahl zu feiern. Es war Paul Hehenberger aus Roitham, der nicht nur Gründer der evangelischen Pfarrgemeinde Scharten wurde, sondern auch mit einigen anderen Geheimprotestanten aus unserer Gegend nach Ortenburg in Bayern zum Gottesdienst marschierte.

Gründung der ersten Toleranzgemeinde

Am 13. Oktober 1781 erließ Kaiser Joseph II das Toleranzpatent, welches den A-Katholiken (frühere Bezeichnung der Evangelischen) die Gründung einer Gemeinde gestattete. Dies bedeutete, dass unsere Vorfahren wegen ihres Glaubens nicht mehr verfolgt werden durften.

Anfangs hielten sie daraufhin Gottesdienste in der Scheune von Hehenberger ab, zu denen zwischen 300 und 500 Menschen kamen. Daraufhin marschierten die Schartner zum Kreisamt nach Linz um eine Genehmigung für das Errichten eines Bethauses zu bekommen. Weiters stellten sie die Forderung nach einem evangelischen Pfarrer. Eine Antwort wurde aber nie gegeben. Eines Tages traf schließlich die Nachricht ein, dass ein Regierungsrat aus Wien nach Linz kommen würde. Weil dieser Herr für Toleranzgemeinden zuständig war, gingen unsere Vorfahren, angeführt von Paul Hehenberger, wieder nach Linz.

Der Regierungsrat forderte sie auf, alle Evangelischen aufzuschreiben und zu zählen. Nach 3 Wochen bekannten sich bereits 300 Familien zum evangelischen Glauben und es sollten noch mehr werden. Die Gemeindegründung wurde ihnen jedoch weiter verwehrt. Nach einigen Komplikationen gelang es 5 Bauern aus unserer Umgebung eine Audienz beim Kaiser zu bekommen. Dieser erlaubte ihnen den Prediger Johann Christian Thielisch aus Teschen (Schlesien) in Scharten als Pfarrer anzustellen.

Am 9. Juni 1782 fand nun die erste öffentliche evangelische Versammlung in einer Scheune des Mair z’Edt statt. Mit diesem Ereignis wurde auch der Gründungstag der evangelischen Pfarrgemeinde Scharten festgelegt.

Vom Bethaus zur Kirche

Der Besitzer des Mair z’Edt-Gutes stellte nicht nur für die Errichtung des Bethauses, sondern auch für die Schul- und Predigerwohnung, sowie des anschließenden Friedhofes den nötigen Baugrund zur Verfügung. Daraufhin folgten sofort die Bauarbeiten und das hölzerne Bethaus war bereits im Herbst aufgestellt und wurde feierlich eingeweiht. Im Laufe der Jahre verwitterte das hölzerne Bethaus und aus diesem Grund wurde ein Neubau in gemauerter Form in Erwägung gezogen. Durch die Mithilfe der Gemeindeglieder konnte das neue Bethaus innerhalb von ein paar Monaten im Jahr 1819 errichtet werden, aber ohne Turm, da dieser auf Grund des Toleranzpatentes nicht genehmigt war. Am 21. November 1819 fand die festliche Einweihung durch Pfarrer Thielisch statt, auch Paul Hehenberger konnte diese Festlichkeiten noch miterleben.

Im 19. Jahrhundert wurde das Verbot, Türme zu erbauen, aufgehoben. In Folge dessen wurde in den Schartnern der Wunsch geweckt, einen Glockenturm nachträglich noch hinzuzufügen. Durch eine rege Spende- und Gebefreudigkeit und durch viele helfende Hände konnte das Werk seinen Anfang nehmen und wurde innerhalb eines Jahres fertiggestellt. Die 3 Glocken aus Lübeck wurden am Reformationstag 1900 aufgezogen und eingeläutet.

Die aus der Toleranzzeit verbotene Anbindung von Fenstern mit Spitz- oder Rundbögen schmerzte die Gemeinde damals sehr. Die Anordnung bedeutete ja schließlich nichts anderes, als dass den Evangelischen das „Kirche sein“ abgesprochen wurde. 1911 kam es zum letzten Bauakt in der Fertigstellung unserer Kirche, die Fenster in der obersten Reihe wurden halbrund gestaltet. Aus dem Bethaus war eine Kirche geworden. Gleichberechtigt und anerkannt konnte nun die Schartner Gemeinde stolz auf ihre Toleranzkirche verweisen.

Bildung und Erziehung evangelischer Jugend

Neben der schulischen Grundausbildung lag Thielisch besonders viel an christlicher Erziehung. Er verfasste selbst die ersten Lehrbücher und in weiterer Folge auch Bücher zur christlichen „Glaubens und Sittenlehre“. All diese Schriften waren an den kleinen Katechismus Martin Luthers angelehnt. 1783 kam es zur Gründung der konfessionellen Privatschulen, die bis zum Jahr 1938 hielten. Thielisch führte auch die Konfirmation ein und schrieb dazu die nötigen Bücher.

Im Jahr 1907 gründete Frau Koch, die Gattin von Pfarrer Jakob Ernst Koch, eine Haushaltungsschule. Diese wurde im Erdgeschoß des Schulhauses eingerichtet mit dem Zweck, Mädchen auf ihre Lebensaufgabe als Mütter und gute Haushälterinnen vorzubereiten. Da sich aber in den späteren Jahren keine Ausbildungskraft mehr fand und der 1. Weltkrieg ausgebrochen war, wurde diese Aktivität wieder eingestellt.

1957 gelang es Pfarrer Wretschitsch und seiner Frau die leer stehenden Räumlichkeiten der ehemaligen evangelischen Schule in ein Bildungsheim umzuwandeln. „Erwachsenenbildung für die Landjugend“ so hieß dieses Projekt. Ein sechswöchiger Kurs für junge Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren wurde in den Wintermonaten angeboten. Zeitgleich fand ein vierwöchiger Kurs für junge Frauen statt. In diesen Kursen versuchte Pfarrer Wretschitsch junge Menschen an Hand des Evangeliums als Verantwortungsträger in Ehe, Familie, Beruf, Wirtschaft, Politik und Kultur auszubilden. Er lud dazu auch professionelle Gastreferenten ein. Auf Grund der gesellschaftspolitischen Veränderung (Ausbau des Berufsbildungswesens) und anstehenden Investitionen musste die Bildungsarbeit nach 10 erfolgreichen Jahren eingestellt werden.

Jugendarbeit war den Pfarrern und einzelnen Verantwortlichen der Gemeinde ein großes Anliegen. Deshalb wurde das Schulgebäude in ein Gemeindezentrum umgewandelt, welches vorwiegend für die Kinder- und Jugendarbeit verwendet wurde. Mittlerweile steht dieses Gebäude auch allen anderen Kreisen unserer Pfarrgemeinde zur Verfügung. Ebenso lädt unsere Pfarrgemeinde immer wieder zu Sonderveranstaltungen, Präsentationen und Vorträgen in das Gemeindezentrum ein.

Forschen in der Vergangenheit ist wie das Pflügen in der Erde: Das Untere, das Alte, kommt an die Oberfläche; der Boden wird aufgelockert und fruchtbar.

Man kann zur Vergangenheit auf verschiedene Art und Weise Stellung nehmen. Vielleicht bewundert man die Taten der Vorfahren und blickt resigniert auf die Gegenwart, um zu der Feststellung zu kommen: „Das würden wir heute nicht mehr fertigbringen!“ Oder man vergleicht die Vergangenheit mit der Gegenwart in der Weise, dass man von der „guten alten Zeit“ spricht, vielleicht sieht man auch die Mängel und Probleme dieser Zeit und kommt zu dem Ergebnis: „Glücklicherweise leben wir in einer anderen Zeit!“

So verschiedenfältig kann man die Vergangenheit betrachten. Fruchtbar wird die Vergangenheit für uns erst dann, wenn wir dankbar werden. Nämlich für das, was unsere Vorfahren durch Kämpfe, Leid und Freud erworben haben. Letzten Endes haben sie das alles für uns erworben, damit wir es nicht nur besitzen, sondern auch damit umgehen und an andere weitergeben.

Quelle: Festschrift “Evangelisches Leben in und um SCHARTEN” (1996)